Noch vor kurzem hat sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt gestellt, dass der Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind auch eine "typische Unterhaltssituation" der Eltern voraussetzt. Die sei nicht mehr gegeben, wenn das Kind verheiratet ist oder selbst ein Kind hat. In diesen Fällen liege die vorrangige Unterhaltspflicht nämlich beim Ehepartner oder beim anderen Elternteil des Enkelkindes. Ein Anspruch auf Kindergeld bestünde nach dieser Auffassung nur dann noch, wenn der vorrangig Unterhaltsverpflichtete kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen hat.
Der Bundesfinanzhof ist dieser Verwaltungsauffassung jetzt klar entgegengetreten und hat kategorisch festgestellt: Die Verheiratung eines Kindes kann dessen Berücksichtigung beim Kindergeld seit Januar 2012 nicht mehr ausschließen. Es gebe schon seit mehreren Jahren nicht mehr die Notwendigkeit, dass für einen Kindergeldanspruch eine typische Unterhaltssituation vorliegt. Hauptgrund für diese Entscheidung ist für den Bundesfinanzhof aber die Abschaffung der Einkommensprüfung beim Kind.
Die Fortführung einer Einkünfte- und Bezügegrenze allein für verheiratete Kinder zum Zweck der Prüfung eines Mangelfalles würde dem mit der Abschaffung der Grenzbetragsregelung verfolgten Vereinfachungszweck widersprechen. Zudem hat der Bundesfinanzhof zu Recht verfassungsrechtliche Bedenken, wenn Eltern verheirateter Kinder gegenüber Eltern unverheirateter Kinder, die ihren Kindern aber aus anderen Gründen ebenfalls nicht zum Unterhalt verpflichtet sind, benachteiligt würden.
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